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Seit Jahrzehnten gibt es die These, dass Unternehmen positive Auswirkungen auf den Frieden haben. Unter anderem, weil die Schaffung von Arbeitsplätzen die wirtschaftliche Situation von Menschen in einer Region stabilisiert. Bisher stützt sich dieser Zusammenhang auf eine überraschend kleine Evidenzbasis. Auf der Geneva Peace Week initiierten FriEnt, CDA und international Alert Expert*innen eine Diskussion zum Thema mit Expert*innen aus aller Welt.
Im Vorfeld der internationalen „Geneva Peace Week/GPW20“ war FriEnt gemeinsam mit CDA und International Alert zu einem Briefing eingeladen, in dem die jahrzehntelangen Erfahrungen mit „Wirtschaft und Frieden“ gesammelt und erörtert wurden. Einerseits berichteten Fachleute von ihrer Arbeit mit extraktiven Industrien, internationalen Akteuren sowie mit kleinen und mittelständischen lokalen Unternehmen. Andererseits analysierten Vertreter*innen des Climate Action Network (CAN) und der Aston University, Birmingham, ihre Aktivitäten zur Förderung und wissenschaftlichen Begleitung von lokalen Kleinstunternehmen in Somalia. Die intensive virtuelle Diskussion am 20. Oktober führten Expert*innen aus dem Friedens- und Entwicklungsbereich sowie aus Forschung und multilateralen Institutionen wie dem UN-Peacebuilding Support Office/PBSO und der Welthandelsorganisation/WTO. Am 5. November wurden die Ergebnisse im Hauptprogramm der GPW20 in einem gemeinsamen ‚Town Hall-Meeting‘ vorgestellt und mit mehr als 60 Expert*innen aus aller Welt diskutiert.
Die zentrale These der Vortragenden: Es kann vorkommen, dass Unternehmen positive Auswirkungen auf den Frieden haben. Diese Szenarien sind jedoch nicht alltäglich. Die verfügbaren Beweise deuten darauf hin, dass es wesentlich zeitaufwendiger und komplizierter ist, dies durch absichtliche Initiativen zu erreichen, als es in der Literatur, die sich für "Wirtschaft und Frieden" ausspricht, vielfach behauptet wird. Der Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Frieden wird bisher nur durch eine überraschend kleine Evidenzbasis gestützt. So wertete etwa eine ODI-Studie mehr als 9.000 Studien/Evaluierungen/Artikeln über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in fragilen Staaten aus. Sie kam zu dem Ergebnis, es gebe keine Belege dafür, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen konkrete, quantifizierbare Auswirkungen auf die Stabilität hat. Andere Untersuchungen belegen, dass einzelne Geschäftsleute sich persönlich erfolgreich für Frieden engagieren, aber diese Bemühungen völlig außerhalb des Unternehmens stattfinden und nicht durch die Mitarbeitenden oder die Geschäftstätigkeit des Unternehmens mitgetragen werden. In fragilen und von Konflikten beeinflussten Kontexten zeigen die Ergebnisse von kapitalintensiven Projekten großer multinationaler Unternehmen, dass Konfliktsensibilität notwendig aber zumeist nicht gegeben ist. Einen wichtigen Schritt in Richtung normativer Erweiterung hin zu Konfliktsensibilität hat die UN Working Group Business and Human Rights mit ihrem aktuellen Abschlussbericht zu ihrem Projekt ‚Wirtschaft und Menschenrechte in Konfliktkontexten‘ gemacht.
Für kleine und mittelständische lokale Unternehmen (KKMU) stellen sich die Chancen und Herausforderungen des Engagements für Frieden in fragilen Situationen ebenfalls sehr unterschiedlich dar. Auch die Risiken sind hier sehr vielfältig: In Mindanao, Philippinen, etwa konnten lokale Unternehmen gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Gruppen den Friedensprozess durch Dialog mit der Mindanao Befreiungsfront/MILF unterstützen. Oder im Südkaukasus hat der über Konfliktlinien hinweg gemeinsam produzierte Käse (‚Cheese for peace‘) als Symbol gewirkt und auf Gemeinsamkeiten verwiesen. Auch die Arbeit mit Kleinstunternehmen in Somalia hat gezeigt, dass es möglich ist, mit wirtschaftlichen Aktivitäten über Clan-Grenzen hinweg einen verbindenden Effekt zu erzielen. Voraussetzung ist, dass die Vorteile der gesamten Gemeinschaft zugutekommen. Aber es bedarf eines langen Friedensengagements mit den lokalen Akteuren, um Potentiale für eine positive Rolle zu erkennen und diese Möglichkeiten dann auch auf andere Wirtschaftakteure und gesellschaftliche Gruppen auszuweiten. Wichtig ist die Arbeit in Netzwerken oder auch Verbänden oder Strukturen, wie etwa Handwerkskammern. Zertifizierungssysteme dagegen schaffen für kleinere Unternehmen weniger Anreize als für große oder multinationale Unternehmen, die weltweit agieren.
Vertiefende Stärkung der Rolle von KKMU in der Friedensförderung
Interessenvertretung (von Unternehmen und politischen Akteuren), einschließlich Unterstützung von Wirtschaftsführern, um politische Regelungen zu beeinflussen
Multi-Akteurs-Plattformen in bestimmten Ländern ausbauen und aktiv begleiten (u.a. Schutz zivilgesellschaftlicher Menschenrechts-, Friedensakteure)
Umgang mit Grauzonen (z.B. Schattenwirtschaften, Korruption)
Dem Privatsektor darf nicht die Rolle vom Staat zukommen – der Förderung inklusiver Institutionen, Justiz und Rechtsstaatlichkeit kommt gerade dort eine besondere Bedeutung zu, wo mit öffentlichen Fördergeldern gleichzeitig dem Privaten Sektor eine besondere Rolle für Frieden und Entwicklung zugeschreiben wird.