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Im Mai 2017 rief Xi Jinping dazu auf, die „Belt and Road-Initiative (BRI)“ zu einer "Road of Peace" auszubauen. Doch das Risiko ist hoch, dass die BRI bestehende Konflikte in denjenigen Ländern verschärft, durch die diese Straße führt. In unserem Impulse-Leitartikel zeigt Caroline Kruckow auf Basis einer neuen Studie von Brot für die Welt auf, dass die BRI bisher ‚konfliktblind‘ ist und an der Förderung von Frieden im Sinne der Agenda 2030 vorbeigeht.
Im Mai 2017 rief Xi Jinping dazu auf, die „Belt and Road-Initiative (BRI)“ zu einer "Road of Peace" auszubauen. Doch das Risiko ist hoch, dass die BRI bestehende Konflikte in denjenigen Ländern verschärft, durch die diese Straße führt. Eine aktuelle Studie von "Brot für die Welt" legt dar, dass die BRI bisher ‚konfliktblind‘ ist und an der Förderung von Frieden im Sinne der Agenda 2030 vorbeigeht.
Die ehemalige „Neue Seidenstraße“ China’s wurde im Laufe der vergangenen Jahre ausgebaut zur „Belt and Road Initiative (BRI)“. Sie erstreckt sich inzwischen auf über 135 Länder rund um den Globus, wobei sie zum größten Teil in Asien, Europa, Afrika und Lateinamerika liegt. Es wird erwartet, dass sie mehr als eine Billion US-Dollar an Investitionen erfordern wird. Mehrere kürzlich erschienene Publikationen beleuchten vor allem die wirtschaftlichen Auswirkungen der BRI, insbesondere im Hinblick auf die Agrarindustrie, die Infrastruktur, den Energiesektor, den Handel und die Ernährung. Berücksichtigt werden auch soziale und ökologische Fragen. Die Auswirkungen der BRI auf die Konfliktdynamik müssen genau unter die Lupe genommen werden. Denn viele der BRI-Länder und -Regionen sind fragil und von Konflikten oder Kriegsfolgen betroffen, in denen die zugrunde liegenden Konfliktdimensionen fortbestehen. Diese können wieder entfacht werden, vor allem wenn die chinesischen Investitionen massive wirtschaftliche und geopolitische Interessen mächtiger Staaten und Eliten berühren.
Landraub durch Investoren ist entlang der BRI einer der wichtigen Konfliktfaktoren, der mit zunehmender Gewalt und Menschenrechtsverletzungen verbunden ist und unter dem vor allem die lokalen Kleinbäuer*innen und Landnutzenden besonders leiden. "Groß angelegte Entwicklungsprojekte, darunter Staudämme, Bergbau, Monokulturplantagen und Holzeinschlag, nehmen in Asien zu und verursachen schwere Menschenrechtsverletzungen, da die indigene Bevölkerung ihr traditionelles Land und ihre Ressourcen verliert", sagte der UN-Sonderberichterstatter für die Rechte der indigenen Völker Francisco Cali-Tzay laut Medienberichten vom 8. September 2020 und forderte weiter: "Die Staaten müssen Maßnahmen ergreifen, um Gewalt und die Kriminalisierung der indigenen Völker zu verhindern, die sich aus der Ausübung ihrer Rechte und der Verteidigung ihres Landes und ihrer Gebiete ergeben. Die Stärkung der Regulierung von Privatunternehmen ist unerlässlich.“ Unsere internationale Partnerorganisation GRAIN, die bereits seit 2008 Daten zu Landakquise und Land Grabbing erhebt und publiziert, berichtet im Juni 2020, dass China seit dem Abschluss einer strategischen Partnerschaft mit Kambodscha nach Angaben der Regierung zum wichtigsten ausländischen Investor in Kambodscha geworden ist. Chinesische Unternehmen haben danach über 280.000 Hektar an wirtschaftlichen Landkonzessionen (ELC) erhalten. Vielfach liegen diese ELCs in Gebieten, in denen indigene Gruppen und lokale Landnutzer*innen bereits seit vielen Jahren gegen Land Grabbing und gewaltsame Vertreibungen durch Investoren demonstrieren. Die Peoples’ Coalition on Food Sovereignty (PCFS) weist darauf hin, dass die kambodschanische Bevölkerung durch Landraub und nun verstärkt durch die Corona-Pandemie um ihr Überleben kämpft.
In vielen der BRI-Länder arbeitet "Brot für die Welt" mit einem breiten Netzwerk von Partnerorganisationen zusammen und unterstützt das zivilgesellschaftliche Engagement für nachhaltige Entwicklung und gerechten Frieden. Die Auswirkungen der BRI auf die Konfliktdynamiken in den verschiedenen Regionen sind von großer Bedeutung, da dies unsere und die Entwicklungs- und Friedensarbeit unserer Partner beeinflussen wird. Wir haben deshalb die Studie "Conflict Dynamics and the Belt and Road Intitiative" in Auftrag gegeben, um mehr Einblicke in das bereits vorhandene analytische Wissen und erkennbare Veränderungen und Dynamiken in verschiedenen Ländern zu erhalten.
Die hiermit veröffentlichte Übersicht besteht aus einer umfassenden Kartierung des vorhandenen Analysematerials und versucht, eine Lücke in der englischsprachigen Literatur zu füllen. Diese betrifft die Auswirkungen der BRI für Frieden und Konflikte auf nationaler und lokaler Ebene, sowohl unmittelbar in Asien und Zentralasien als auch darüber hinaus in der europäischen Nachbarschaftsregion Südkaukasus. Einige der Ergebnisse dieser Studie sind überraschend, andere demaskieren und zeigen, wie wenig Aufmerksamkeit den Konfliktdimensionen und dem nachhaltigen Friedenserhalt entlang der BRI bisher geschenkt wurde. Dabei führt die BRI teilweise durch Kriegsgebiete und Konfliktregionen. Landraub findet in großem Maße statt, schürt Konflikte und betrifft vielfach besonders ethnische Minderheiten und ihre Rechte:
So führt etwa der China-Myanmar-Korridor/CEMEC, der Bahnstrecken und Straßen sowie verschiedene großflächige Wirtschaftszonen umfasst, in Myanmar durch Gebiete des andauernden Bürgerkriegs zwischen Militär und bewaffneten Organisationen ethnischer Minderheiten. So werden etwa im Rahmen der CEMEC in den Shan und Kachin States große Landflächen für BRI-Projekte vorgesehen, um die erbittert gekämpft wird. Gewaltsame Vertreibungen und Landraub nehmen zu und befeuern die Konfliktdynamiken. Der Korridor führt auch durch den Rakhine State, die Region, aus der im Spätsommer 2017 rund 700.000 Rohingya vor dem Militär flüchten mussten. Diese Vertreibung wurde von der Internationalen Gemeinschaft verurteilt und von vielen Staaten als Genozid bezeichnet.
Zwei andere Handels- und Wirtschaftskorridore befördern geopolitische Spannungen: Die von China durch Pakistan und Kaschmir bis zum Arabischen Meer (China-Pakistan Economic Corridor/CEPEC) geplante Route sowie der Bangladesch-China-Indien-Myanmar Economic Corridor / BCIM verschieben das geostrategische Gleichgewicht in der von Konflikten reich bestückten Region. Sie schüren Spannungen zwischen Indien und Pakistan auf der einen und zwischen China und Indien – im Wettlauf um regionale Vormachtstellung – auf der anderen Seite.
Aber auch zivilgesellschaftliches Engagement für Frieden und Gerechtigkeit wird verhindert: Im zentralasiatischen Kirgisien beispielsweise hat die Kooperation im Rahmen der BRI dazu geführt, dass chinesische Überwachungstechnologien (CCTV-Kameras) im Land zur Überwachung von Minderheitengruppen wie Kasachen und Uiguren eingesetzt werden, die auch in China bereits massiv unter Druck stehen. Es scheint, dass die Überwachungsdaten über die chinesischen CCTV-Kameras auch gleichzeitig von China genutzt werden können. Menschenrechtsaktivist*innen sowie auch -anwälte sind davon in beiden Ländern betroffen und können sich kaum mehr gefahrlos für die Rechte von Betroffenen der BRI-Projekte einsetzen.
Das wichtigste Ergebnis dieser Studie ist, dass das Risiko von Konfliktverschärfung in mehreren Ländern und Regionen durch die BRI sehr hoch ist. Die Mehrheit der Staaten hat Absichtserklärungen zur BRI-Zusammenarbeit mit China unterzeichnet. Auch haben die Vereinten Nationen oder zum Beispiel die Asiatische Entwicklungsbank die BRI-Plattform anerkannt. Deshalb sind hier alle Beteiligten gefordert, stärker in den Blick zu nehmen, wie gewaltsame Konflikte bewältigt und Gewalt verhindert werden kann.
Natürlich hat sich durch die Corona-Pandemie sowohl auf globaler als auch auf nationaler und lokaler Ebene alles verändert. Die langfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das soziale und wirtschaftliche Leben sind noch unklar. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Initiative wieder an Fahrt gewinnt, noch bevor die Krise zu Ende geht. Denn China rüstet sie als Plattform für die Stärkung der öffentlichen Gesundheitssysteme durch die Gesundheits-BRI (‚Health Silk Road‘) um und stellt weitere Ressourcen für die wirtschaftliche Erholung, insbesondere für notleidende BRI-Projekte, bereit. Insbesondere die Erfüllung von Hoffnungen und Versprechen, die mit der BRI und ihren Projekten verbunden sind, könnte für Chinas eigenes Image als Global Player wieder wichtiger werden. Wir halten es für sehr wichtig, dass alle Akteure aus Regierungen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft dies weiter beobachten, mit anderen BRI-Akteuren zusammenarbeiten und sich für den Frieden und die nachhaltige Entwicklung im Sinn der Agenda 2030 und ihrer Nachhaltigkeitsziele/SDGs einsetzen.
Der Beitrag ist auf Grundlage dieses Blogbeitrags von Caroline Kruckow, Referentin Frieden und Entwicklung bei Brot für die Welt, entstanden.