Das „Archive of Memory“ sammelt und kuratiert private Erinnerungsstücke und Alltagsobjekte, die persönliche Geschichten von Zeitzeug*innen aus 70 Jahren Unabhängigkeit lebendig werden lassen.
Zeit und Erinnerung sind eng miteinander verflochten. Während manche Erinnerungen zu Geschichte werden, gehen viele Erinnerungen mit der Zeit verloren. Doch wer bestimmt, welche Erinnerungen zu Geschichte werden und welche nicht?
Oft wird Geschichte lediglich als eine subjektive Chronik interpretiert, die Machthaber diktieren oder Parteien schreiben, wenn sie siegreich aus Konflikten hervorgehen. Dabei spielen die Erinnerungen von Normalbürger*innen in der Regel keine große Rolle. Diese individuellen Erinnerungen nicht zu berücksichtigen ist allerdings problematisch – denn Geschichte ist nicht nur politisch, sondern stets auch persönlich. Insbesondere in Sri Lanka hat sich bisher kaum jemand darum bemüht, diesen persönlichen Erinnerungen Raum zu bieten. Hier kommt das „Archive of Memory“ ins Spiel – eine zivilgesellschaftliche Initiative, die seit 2017 vom GIZ-Vorhaben „Stärkung der Versöhnungsprozesse in Sri Lanka“ unterstützt wird. Das Projekt ist vom Auswärtigen Amt und der Europäischen Union ko-finanziert.
Einzigartige Perspektiven und Gegenperspektiven
Das ständig wachsende Archiv sammelt und kuratiert private Erinnerungsstücke und Alltagsobjekte, die persönliche Geschichten von Zeitzeug*innen aus 70 Jahren Unabhängigkeit lebendig werden lassen. Statt einer einheitlichen Erzählstimme zu folgen, betrachtet „Archive of Memory“ den Verlauf der Geschichte Sri Lankas mithilfe individueller Erinnerungen. Die verschiedenen Erzähler*innen repräsentieren dabei die multiethnische, multireligiöse und mehrsprachige Bevölkerung Sri Lankas und gehören zu verschiedenen Berufsgruppen – von Künstler*innen und Aktivist*innen über Diplomat*innen und Haushaltshilfen bis hin zu Soldat*innen, Sexarbeiter*innen, Lehrer*innen und Schneider*innen. Diese Vielfalt birgt einzigartige Perspektiven und Gegenperspektiven, die über die sonst oft eindimensionale Geschichtsschreibung hinausgehen.
Aus den bislang mehr als 160 eingegangenen Beiträgen haben zwei Kuratorinnen 70 Objekte und dazugehörige Geschichten ausgewählt und für eine Publikation aufbereitet, die in den drei Sprachen des Landes angeboten wird. Alle 70 Objekte erscheinen vertraut und gewöhnlich – ein Armreif, eine Handtasche, eine Brille, ein Babyschuh, ein Topf, eine Schaukel. Für die meisten von uns mögen dies Alltagsgegenstände sein, die wir kaum beachten, aber für jeden der 70 Erzähler*innen bedeuten sie schmerzhafte, liebevolle oder nostalgische Gefühle und Erinnerungen. Die Erzählfragmente und das Betrachten der zugehörigen Gegenstände sollen die individuellen und kollektiven Erinnerungen der Leser*innen ‚befreien‘.
Am 25. Februar 2020 wurde das Buch „Archive of Memory“ in Colombo vor fast 200 Gästen vorgestellt. Einige Erzähler*innen lasen unter musikalischer Begleitung ihre Geschichten in der Sprache ihrer Wahl vor. Parallel zur Buchvorstellung konnten die Gäste eine Mini-Ausstellung der dazugehörigen Objekte anschauen und die Geschichten noch unmittelbarer erleben.
Das Buch „Archive of Memory“ kann online bei Perera Hussein Publishers erworben werden.