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Die „youth burden“ braucht ein neues Narrativ

Das Engagement von Jugendlichen in der Covid-19 Krise ist eine Chance
ODI
COVID-19
Corona, Frieden und Konflikt
Weltbank | CC BY-NC-ND 2.0

In fragilen und von Konflikten betroffenen Regionen führt die Ausbreitung des Covid-19 Virus dazu, dass gesellschaftliche Spannungen durch den ohnehin meist ungleichen (und teilweise nichtvorhandenen) Zugang zu medizinischen und sozialen Leistungen weiter zunehmen. Dies gilt insbesondere für junge Menschen. Jeder vierte von ihnen lebt in fragilen Kontexten.

Dieser Blogbeitrag wurde ursprünglich auf odi.org veröffentlicht. Den Originalbeitrag finden Sie hier.

In fragilen und von Konflikten betroffenen Regionen führt die Ausbreitung des Covid-19 Virus dazu, dass gesellschaftliche Spannungen durch den ohnehin meist ungleichen (und teilweise nichtvorhandenen) Zugang zu medizinischen und sozialen Leistungen weiter zunehmen. Dies gilt insbesondere für junge Menschen. Jeder vierte von ihnen lebt in fragilen Kontexten. Trotz wiederholter Aufrufe zu einem globalen Waffenstillstand, hat sich die Gewalt vielerorts verschärft. Mit dem Ausbruch der Krise wurden einige Friedensprozesse komplett auf Eis gelegt, andere sind gefährdet. Bei unserer Krisenreaktion müssen wir junge Menschen besonders stark machen, indem wir sie sehr bewusst in lokale und internationale Prozesse einbinden.

Häufig wird von der sogenannten „youth burden“ (Belastungen durch die Jugend) gesprochen. Damit gemeint sind die vielen arbeitslosen jungen Menschen, die es in fragilen Kontexten in der MENA-Region (Subsahara Afrika, Nordafrika und Naher Osten) nicht schaffen, ihren volkswirtschaftlichen Beitrag zu leisten. Dabei lässt diese Sichtweise völlig außer Acht, welche Chancen darin liegen, wenn diesen jungen Leuten das Gefühl der Handlungs- und Entscheidungsfreiheit zurückbekommen.

Über alle Sektoren hinweg hat die Ausbreitung von Covid-19 die Möglichkeiten für kollektives Handeln erweitert. Seit Beginn der Krise haben Jugendliche in Mali, Kamerun, Südsudan, Syrien und Haiti vorbildlich resilient gehandelt. Sie haben innovative Lösungen und neue Wege gefunden, um ihre Gemeinschaften zu unterstützen. Genau jetzt müssen wir den Schwung nutzen, um der „youth burden“ ein neues Narrativ zu geben.

Jugendinitiierter Frieden beginnt vor Ort

Als ich ein Projekt zur Friedenssicherung tausende Kilometer abseits der Hauptstadt in der Zentral Afrikanischen Republik (ZAR) unterstützte, spürte ich eine große Kluft zwischen den zeitlich begrenzten internationalen Friedensinitiativen und lokal verwurzelten Friedensprojekten. Letztere wurden durch gemeinschaftliche Kontrollmechanismen überwacht und die Reaktion auf mögliche Verstöße vorab genau festgelegt. Beide Ansätze schließen sich nicht gegenseitig aus. Dennoch führte die fehlende systematische Einbindung lokaler Akteure dazu, dass sie sich weniger für die Projekte interessierten und einsetzten.

Überträgt man dies auf die aktuelle Covid-19 Situation zeigt sich, dass es auf einen Kompromiss hinausläuft: zwischen landesweiten Ansätzen zur Aufklärung über das Virus und lokal geführten Ansätzen, die sich vorwiegend auf die sozialen Dynamiken in verschiedenen Kontexten konzentrieren. Hinzu kommt, dass Regierungen und internationale Akteure oft nicht konfliktsensibel agieren und keinen „Do No Harm“ -Ansatz verfolgen. Um gegen die Pandemie zu kämpfen haben sich junge Menschen, die ihre Gemeinden gut kennen, mit Hilfskräften vor Ort zusammengetan. Vor dem Hintergrund sollten junge Menschen unbedingt eine Führungsrolle beim Aufbau widerstandsfähiger Gemeinschaften und bei der Bekämpfung des Virus spielen

Es ist in nächster Zeit zu erwarten, dass humanitäre Hilfsprojekte viele derzeitige Projekte der Entwicklungszusammenarbeit in fragilen Kontexten ablösen. Junge Menschen werden dabei in alters- und geschlechterspezifischen Programmen mehr berücksichtigt, womit lokalen Bedürfnissen, Ungleichheiten und vorhandenen gesellschaftliche Dynamiken entsprochen wird. An dieser Stelle wird der Einsatz digitaler Technologien und Netzwerke von entscheidender Bedeutung sein, damit sich junge Leute digital über „best practices“ austauschen, diese verbreiten und Verhaltensänderungen anstoßen können. Dafür braucht es Kommunikationskanäle, denen sie vertrauen können. Um dies während Covid-19 zu erreichen, müssen folgende Maßnahmen ergriffen werden:

  • den Zugang zum Internet sowie zu Handys verbessern
  • Radio- und Fernsehen nutzen
  • tragbare Solarzellen verwenden
  • Desinformation und Falschinformation in soziale Medien überwachen
  • bestehende kostenlose mobile Plattformen wie UNICEF U-report unterstützen.

Covid-19: eine Gelegenheit, das Engagement für Jugendliche in Friedens- und Sicherheitsfragen zu stärken

2020 ist nicht nur das Jahr eines globalen Pandemie-Ausbruchs, der uns vor Augen führt, wie sehr unsere Welt heute vernetzt ist. Es ist auch das Jahr, in dem die UN Resolution 2250 zu Jugend, Frieden und Sicherheit fünf Jahre alt wird. Die jüngste Rede zum Bericht über die UN Resolution 2250 rief dazu auf, sich stärker für die Beteiligung der Jugend einzusetzen. Sie stellte die partnerschaftliche Zusammenarbeit in den Mittelpunkt und betonte den Schutz und die Stärkung von Jugendlichen. Dies gelte insbesondere für schutzbedürftige Gruppen wie junge Frauen, Jugendliche mit Behinderungen sowie ethnische und religiöse Minderheiten, die häufig Diskriminierung und Marginalisierung ausgesetzt sind.

In Zeiten von Covid-19 haben sich die Bedingungen, um nachhaltigen Frieden zu schaffen, zunehmend verschlechtert: Der meist geringe Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft wurde vielerorts auch durch die Regierung weiter eingeschränkt. Auch Menschenrechtsverstöße nahmen zu. Trotz dieser schwierigen Bedingungen sind von Jugendlichen geleitete Friedensinitiativen ein Symbol für die junge Generation, die sich nach Veränderung sehnt. Diese hat „nicht auf Resolutionen gewartet, um zu handeln“ sondern hat selbst schnelle und einfache Lösungen gefunden.

Die nationalen Regierungen sind verantwortlich dafür, die Jugend-, Friedens- und Sicherheitsagenda durch vollständig finanzierte partizipative Prozesse in ihre nationalen Aktionspläne aufzunehmen.

Neue Technologien könnten in der Friedenskonsolidierung einen Ausgangspunkt darstellen. Sie bieten die Möglichkeit, Jugendliche gut zu erreichen. Dabei ist sicherzustellen, dass gesellschaftliche Ungleichheiten nicht durch unterschiedliche digitale Kompetenzen, Zugänge und einseitige Algorithmen verstärkt werden. Soziale Medien, Geografische Informationssysteme (GIS) und Big Data sowie Onlinespiele sind nur einige Beispiele dafür, wie Mediatoren digitale Technologien für die Friedensförderung einsetzen und für die Einbindung von jungen Leuten in Zeiten von Corona testen.

Die aktive Einbindung von Jugendlichen erfordert eine nachhaltige wirtschaftliche Inklusion

Damit die Inklusion der Jugend über eine symbolische Geste hinausgeht, muss sich das Narrativ der „youth burden“ ändern. Junge Menschen müssen Werkzeuge an die Hand bekommen, mit denen sie die Programme mitgestalten, die für ihren sozialen und wirtschaftlichen Erfolg wichtig sind. So beweisen sie sich als treibende Kräfte der Veränderung. Der erste Schritt dazu ist auf der einen Seite Bildung und auf der anderen Seite die Sensibilisierung der Gesellschaft für die Wünsche und Ziele junger Menschen.

Viele Schulen haben aufgrund des Covid-19 Virus geschlossen und bestehende Ungleichheiten verfestigen sich damit. Gerade jetzt brauchen die jungen Menschen die Zuversicht, dass sie ihr Leben selbst gestalten und zum Erfolg führen können. Das ist der Schlüssel, um nachhaltigen Frieden herzustellen und die Widerstandsfähigkeiten lokaler Gemeinschaften zu stärken. Nur so kann sich das Narrativ einer „Last durch die Jugend“ verändern. Programme zur Ausbildung junger Menschen müssen so ausgelegt werden, dass sie eine Kultur des Friedens genauso wie eine Kultur der Zukunftsperspektiven fördern.

Die politischen Reaktionen auf Covid-19 prägen die „neue Normalität“. Sie werden sich dauerhaft auf die am stärksten Betroffenen auswirken und das sind auch die jungen Menschen in fragilen Umgebungen. Die Regierungen können es sich nicht länger leisten, das Engagement der Jugend vor Ort und für die Friedens- und Sicherheitsagenda zu ignorieren. Sie müssen die Energie nutzen, um systemische Veränderungen durch jugendliche Initiativen herbeizuführen.

Kontakt
Melanie Pinet

Melanie Pinet ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei bei ODI. Sie leitet die "Youth Forward Learning Partnership" mit dem Ziel, das Verständnis für die Bedürfnisse junger Menschen in Ghana und Uganda zu fördern.

References

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