Um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, stellen Regierungen gegenwärtig Regeln auf, die erheblich in die Grund- und Menschenrechte eingreifen. Der Krise zum Trotz müssen sie dabei das Maß wahren. Die Partner des ZFD nehmen einmal mehr die Rolle eines Wächters der Menschenrechte ein, wie Beispiele aus Bolivien und Mexiko zeigen.
„COVID-19 ist ein Test für unsere Gesellschaften, und wir alle lernen und passen uns an, wenn wir auf das Virus reagieren. Die Würde und die Rechte des Menschen müssen bei diesen Bemühungen von Anfang an im Mittelpunkt stehen“, mahnt Michelle Bachelet, die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte – nicht ohne Grund. Denn die Verhältnismäßigkeit stimmt oft nicht. Mancherorts wird die Situation dazu missbraucht, die Handlungsspielräume von Presse und Zivilgesellschaft weiter einzuschränken. Etwa wenn Kritik an den angeordneten Maßnahmen unter Strafe steht.
Heute stellen wir zwei Partnerorganisationen aus Lateinamerika vor, die über Gesundheitsvorsorge und -schutz aufklären und sich dafür einsetzen, dass die Einschränkungen verhältnismäßig und befristet bleiben. Sie unterstützen besonders Bevölkerungsgruppen, die darunter über Gebühr leiden.
Bolivien: Mutig und multimedial für Gesundheit und Menschenrechte
Seit 22. März 2020 gilt in Bolivien eine landesweite Ausgangssperre. Wer dagegen verstößt, riskiert eine Festnahme und eine hohe Geldstrafe. Aber auch wer sich allzu kritisch gegen die beschlossenen Maßnahmen äußert, könnte bis zu zehn Jahre inhaftiert werden; so zumindest die Einschätzung von Human Rights Watch. Die ZFD-Partnerorganisation FOCAPACI lässt sich davon nicht einschüchtern. Gemeinsam mit 17 weiteren Nichtregierungsorganisationen hat sie die Übergangsregierung in einem offenen Brief aufgefordert, die verwundbarsten Gruppen der Gesellschaft, wie die indigene Bevölkerung, Kinder und Jugendliche oder Menschen mit Behinderungen während der Ausgangssperre besser zu unterstützen. Darüber hinaus fordern sie einen Dialog zwischen Politik und Zivilgesellschaft, der unter anderem dazu beitragen soll, dass die Menschenrechte auch während der Corona-Krise gewahrt bleiben.
FOCAPACI hat Ende März eine erste Handreichung mit Informationen zum Coronavirus veröffentlicht. Seitdem stellen die Mitarbeitenden von FOCAPACI kontinuierlich Informationen über ihre Social-Media-Kanäle bereit, insbesondere via Facebook und Youtube. Darunter finden sich kurze Aufklärungsfilme auf Spanisch und Aymara, die in der Projektregion am häufigsten gesprochene indigene Sprache. Doch das Medium der Stunde ist das Radio, da ein Internetanschluss für viele nicht erschwinglich ist. FOCAPACI sendet nun eine wöchentliche Radioshow, die sogenannte „Nachbarschaftsversammlung“ („Asamblea Vecinal“). „Das Radioprogramm möchte einerseits darüber informieren, wie man sich vor COVID-19 schützen kann, und andererseits reflektieren, welche Auswirkungen die Quarantäne auf das Leben der Menschen hat“, erläutert Geschäftsführer Rolando Lazarte. „Dazu werden auch Stimmen aus der Nachbarschaft gehört, darunter Künstler, Psychologen und Umweltschützer, die neben den Schwierigkeiten auch die positiven Aspekte der gegenwärtigen Situation aufzeigen, wie beispielsweise die nachbarschaftliche Solidarität.“
Mexiko: Kritische Auseinandersetzung und psychosoziale Unterstützung
Die Menschenrechtslage ist in Mexiko so kritisch wie in kaum einem anderen Land. Menschen, die sich für Gerechtigkeit stark machen, werden bedroht, kriminalisiert oder gar ermordet. Die ZFD Partnerorganisation ALUNA unterstützt sie dabei, sich trotz der Bedrohung weiter zu engagieren und bietet psychosoziale Unterstützung an. „Die Corona-Pandemie verschärft ihre Lage zusätzlich“, erläutert Clemencia Correa, die Leiterin von ALUNA. „Sie erleben nicht nur eine stärkere Gefährdung ihrer Arbeit, sie sind zusätzlich in ihrer Mobilität eingeschränkt, ihre Bemühungen sind weniger sichtbar. Dies schafft ein Umfeld erhöhter Verletzbarkeit.“
Zugleich beobachten die Mitarbeitenden von ALUNA ein gestiegenes Maß an psychosozialer Belastung durch die Pandemie und die eingeleiteten Präventionsmaßnahmen innerhalb der Bevölkerung, vor allem bei besonders gefährdeten Gruppen. „Risiken und Gefahren sind verschieden verteilt; sie sind höher bei vulnerablen Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel bei sozial Benachteiligten, Migrantinnen und Migranten, Angehörigen der LSBTI etc.“
Auf der ALUNA-Website wurde ein neuer Bereich zur Corona-Pandemie eingerichtet. Dort wird über gesundheitliche Fragen inklusive psychosozialer Aspekte informiert und zugleich eine kritische Auseinandersetzung über die angeordneten Maßnahmen angestoßen. „Wir müssen darauf achten, dass die Kontrollen zur Eindämmung von Infektionen nicht zur neuen Normalität werden“, sieht sich Clemencia Correa in der Pflicht. „Wir dürfen nicht darauf verzichten, auf Menschenrechtsverletzungen sowie auf Angriffe gegen Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie gegen Journalistinnen und Journalisten aufmerksam zu machen.“
Das ALUNA-Webportal zu COVID-19 mit zahlreichen Infos auf Spanisch erreichen Sie hier.