Wonach suchen Sie?

Wonach suchen Sie?

Ist „Frieden“ out?

Warum der Friedensbegriff im Wandel ist
Jugend
Feministische Friedensförderung
Clay Banks | Unsplash

In den 1980er Jahren, in Zeiten großer Friedensdemos, lag es im Trend, sich für Frieden einzusetzen. „Frieden“ war damals ein maßgeblich positiv besetzter Begriff. Heute ist das anders. In Zeiten eines Krieges mitten in Europa gibt es kaum junge Menschen, die sich bewusst als Friedensaktivist*innen verstehen. Warum ist das so und warum hat sich der Begriff im Laufe der Zeit gewandelt? Dazu bietet dieser Beitrag eine erste Orientierung.

Seit den Hochzeiten der Friedensbewegung hat sich politisch einiges verändert. Nach dem Mauerfall rückte Krieg als reale Bedrohung immer weiter weg aus unserem kollektiven Bewusstsein. Die Europäische Union wurde als Friedensnobelpreisträgerin gefeiert und junge Menschen wuchsen in einer Welt auf, in der es unnötig erschien, sich für Frieden einzusetzen. Frieden war da und deshalb schlicht und einfach kein Thema.

Die junge Generation und der Friedensbegriff

Was in dieser Zeit allerdings vermehrt ins Bewusstsein gelangte, ist die Idee, dass Frieden eben doch mehr ist als nur die Abwesenheit von Krieg – wie auch bereits von Johan Galtung als “positiver Frieden” beschrieben. So hat in einer Zeit ohne wahrgenommene militärische Bedrohung die Sensibilisierung für strukturelle Gewaltformen die breite Gesellschaft erreicht, auch dank Kampagnen, wie #MeToo oder #BlackLivesMatter. Verschiedene Diskriminierungsformen wie Sexismus oder Rassismus und auch Kontinuitäten kolonialer Ausbeutung wurden in den letzten Jahren neben dem Klimawandel als eine größere Bedrohung für den gesellschaftlichen Frieden gesehen als die Möglichkeit eines bewaffneten Angriffs. Auch Forschungsergebnisse zeigen, dass soziale Ungleichheit gewaltsame Konflikte befördern kann (u.a. Cederman, Gleditsch & Buhaug 2013). Alle diese Umstände haben das Sicherheitsverständnis von nationalstaatlicher hin zu Menschlicher Sicherheit verschoben. Dementsprechend sah auch das Friedensengagement junger Menschen anders aus als das der älteren Generation. Anstatt sich für Abrüstung stark zu machen, ist ihr Aktivismus geprägt von einem Einsatz für Klimagerechtigkeit sowie gegen Diskriminierung und (globale) Machtdynamiken. Diese zu durchbrechen gilt ihnen als Mittel, um nachhaltigen und nicht nur oberflächlichen Frieden herzustellen.

Durch die zunehmende Sensibilisierung für strukturelle und kulturelle Gewaltformen selbst in “Friedens”-Zeiten, verschob sich auch das Begriffsverständnis in der jungen Generation. Frieden wurde nicht mehr verstanden als das konstruktive Austragen von Konflikten, sondern als das Totschweigen versteckter Gewaltformen. Somit ist der Friedensbegriff in jungen aktivistischen Kreisen weitestgehend aus dem Wortschatz verschwunden. Stattdessen wird nun vermehrt der herrschaftskritischere Begriff “Gerechtigkeit” genutzt.

Doch mit einer zunehmenden Militarisierung in Deutschland und einem Erwägen der Reaktivierung der Wehrpflicht werden aktuell auch klassische Friedensthemen wieder präsenter unter jungen Menschen. In verschiedenen Orten in Deutschland formt sich aktuell Widerstand verschiedener linker Jugendgruppen. Doch auch, wenn dabei Themen und Forderungen der Friedensbewegung wieder aufgegriffen werden, nennen sich die neu entstehenden Bündnisse lieber “anti-militaristisch”, um den Friedensbegriff zu vermeiden, mit dem sie sich nicht mehr identifizieren.

Umdeutung durch politische Parteien

Und es gibt noch einen anderen Grund, warum der Friedensbegriff in linken Kreisen gerade nur mit größter Vorsicht gebraucht wird. Spätestens seit der letzten Bundestagswahl wurde der Begriff sowohl von der AfD als auch vom BSW sehr präsent im Wahlkampf genutzt und damit neu besetzt – und das konträr zum ursprünglichen Begriffsverständnis. Die AfD versteht – trotz Friedenstauben auf ihren Wahlplakaten – unter Frieden vor allem Aufrüstung, Kriegsdienst und eine Stärkung von Bundeswehr und Rüstungsindustrie. Das BSW hat ebenfalls im Wahlkampf 2025 versucht, sich ein Image als Friedenspartei aufzubauen. Ihre Forderung nach einem sofortigen Stopp der Unterstützung für die Ukraine wurde von vielen allerdings als russischer “Diktat-Frieden” wahrgenommen. Mit diesem “negativen Friedensverständnis” im Sinne Johan Galtungs scheiterte die Partei schließlich an der 5%-Hürde.

Zukunft des Friedensbegriffs

Diese sehr unterschiedlichen Verständnisse von Frieden machen es schwer, den Durchblick zu behalten – insbesondere für Menschen, die sich bisher wenig mit dem Thema beschäftigt haben. Es fehlt an Orientierung dazu, was drin ist, wenn Frieden draufsteht. Auch die Angst, falsch verstanden zu werden, trägt dazu bei, den Begriff lieber gar nicht erst zu verwenden.

Vielleicht brauchen wir wieder mehr Mut, um den Friedensbegriff nicht rechten und pro-russischen Bewegungen zu überlassen. Was dafür fehlt? Eine Auseinandersetzung damit, dass der Begriff im Wandel ist und immer sein wird. Aber auch eine Stärkung des Begriffs durch ein klares Bekenntnis dazu, dass Frieden auf Gerechtigkeit und Menschlicher Sicherheit basiert – und damit Friedensaktivismus immer sowohl anti-militaristisch als auch anti-faschistisch sein muss, um kohärent und glaubwürdig zu sein.

Kontakt
Sandra Klaft

Projektleiterin von Peace for Future, Referentin für Friedensbildung bei der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen (DFG-VK) Frankfurt

Referenzen

Verwandte Artikel

FES
FriEnt

Save the Date: Geopolitics, Militarisation & the “Global South”

Public Debate in Berlin with experts from Brazil, Germany, and India
FES
FriEnt
Public Debate in Berlin with experts from Brazil, Germany, and India
FES
Friedensförderung
Warum die WPS-Agenda jetzt priorisiert werden muss
International Crisis Group
Digitalisierung
How eEARTH combines technology and field expertise to prevent violence
PZKB
Bildung
Neues Handbuch für Bildungs-, Friedens- und Konfliktarbeit

Verwandte Artikel