In der Agenda 2030 und den Leitlinien „Krisen verhindern, Frieden fördern, Konflikte bewältigen“ hat sich die Bundesregierung verpflichtet, die Folgen des Klimawandels für friedliche Gesellschaften in den Blick zu nehmen. Nun ist eine ambitionierte sowie inklusive und universelle Umsetzung wichtig.
Zunehmende Wüstenbildung, Anstieg des Meeresspiegels, Überschwemmungen oder Dürre – weltweit werden immer mehr Menschen hiervon betroffen. Auch die Zahl extremer Wetterereignisse nimmt zu. Der damit einhergehende Verlust von Land und Ressourcen bedroht massiv die Lebensgrundlage vieler und hat Auswirkungen auf das Zusammenleben von Gesellschaften. Bereits heute gehören Konflikte über die Nutzung von Land und Ressourcen zu den Hauptfaktoren für gewaltsame Auseinandersetzungen. So beschreibt der Pathways for Peace Bericht der Weltbank und Vereinten Nationen (VN), dass 40-60% aller innerstaatlichen bewaffneten Konflikte in den letzten 60 Jahren durch Konflikte um natürliche Ressourcen entweder ausgelöst, finanziert oder aufrechterhalten wurden. Mit zunehmendem Klimawandel und einer gleichzeitig steigenden Weltbevölkerung, höheren Lebensstandards und damit steigendem Ressourcenverbrauch nimmt der Druck auf diese begrenzt verfügbaren Ressourcen zu. Klimawandel wirkt wie ein Risikobeschleuniger (threat multiplier). Auf der Grundlage von existierenden Problemen wie Exklusion, Diskriminierung, Ungleichheit und Armut erhöht sich so die Wahrscheinlichkeit von Instabilität und gesellschaftlichen Spannungen.
Braucht die Welt deshalb eine Politik, die auf Abschottung, Abwehr und Konfrontation setzt, um klimainduzierten Konflikten und Migration zu begegnen? Oder muss diesen Szenarien nicht viel mehr mit Kooperation, politisch-diplomatischen, friedensfördernden und konfliktbearbeitenden Mitteln begegnet werden? Dass Kooperation und friedensfördernde Vorgehensweisen zwingend notwendig sind, ist aus unserer Sicht besonders ersichtlich bei Klima und Konflikt – und das gilt auf allen Ebenen, sowohl multilateral, als auch regional und lokal.
Mit einer globalen Agenda und nationalen Leitlinien Klima und Frieden verbinden
Die von den Vereinten Nationen verabschiedete Agenda 2030 hat dies erkannt: Sie nimmt mit 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals/SDGs) diese globalen Probleme bereits in den Blick und wurde verabschiedet, um eine bessere Zukunft für alle in einer friedlicheren Welt zu sichern. Dabei steht zwar jedes Ziel für sich und benennt eine globale Herausforderung – allerdings kann ein Einsatz im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung nur unter Berücksichtigung der Interdependenzen der unterschiedlichen Aspekte wirken. Kooperationen über sektorale Grenzen hinweg sind erforderlich – ganz besonders auch im Klima-, Ressourcen- und Friedensbereich. So hängt etwa das „Klimaziel“ SDG 13 eng mit dem Ziel 2 gegen Hunger und für Schutz und Sicherung des Zugangs zu Land und Ressourcen zusammen. Ebenso steht es in Verbindung mit dem Ziel 16, das für Gerechtigkeit für alle, inklusive Institutionen und gute Regierungsführung steht und friedensfähige Gesellschaften stärken und fördern soll. Im Sinne der Agenda 2030 ist also auf Zusammenarbeit und die Stärkung von Kooperations- und Friedenspotentialen zu setzten, anstatt auf Konfrontation.
Die 2017 verabschiedeten Leitlinien der Bundesregierung „Krisen verhindern, Frieden fördern, Konflikte bewältigen“ geben diesen Weg ebenfalls vor. So will die Bundesregierung etwa die Vulnerabilität gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels verringern. Insbesondere im Fall klimabedingter Krisen sollen die Folgen für die Zivilbevölkerung durch eine lokale Förderung der Grundsicherung vermindert werden. Die Leitlinien verdeutlichen, dass nachhaltige Lebens- und Zukunftsperspektiven in Krisenregionen geschaffen werden müssen. Das trifft auch auf klimainduzierte Krisen zu.
Die entwicklungspolitische Friedensarbeit zu Land- und Ressourcen, Konfliktsensibilität und Friedensförderung kann hier aus vielen Erfahrungen schöpfen und wichtige Aspekte einbringen:
Stärkung der zivilen Konfliktbearbeitung
Um mit den Auswirkungen des Klimawandels und den damit verbundenen Ressourcenkonflikten umgehen und (neue) Gewalt verhindern zu können, kommt es darauf an, die Voraussetzungen für eine gewaltfreie Bearbeitung dieser Konflikte zu schaffen und sicherzustellen. Dazu gehören neben der Sicherstellung rechtlicher Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der juristischen Klärung von Streitigkeiten auch die Stärkung lokaler Schlichtungsmechanismen, Dialog und Mediation.
Konflikt- und gendersensible Anpassung an den Klimawandel
Die Folgen des Klimawandels sollten bei krisenpräventiven Maßnahmen, wie z.B. Krisenfrühwarnmechanismen, viel stärker berücksichtigt werden. Darüber hinaus müssen für Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen die (potenziellen) Konfliktdynamiken und – akteure des spezifischen Kontextes angeschaut und konfliktsensibel in die Planung integriert werden. So können Risiken und negative Wirkungen reduziert oder vermieden und präventive Maßnahmen identifiziert werden. Dabei müssen die Klimafolgen und ihre jeweiligen Auswirkungen auf spezifische Gruppen in den Blick genommen werden. Zu diesen spezifisch Betroffenen gehören oft bereits marginalisierte Bevölkerungsgruppen wie etwa Indigene, Wanderhirten oder Landlose. Landverluste und Konflikte wirken sich auf Frauen und Männer unterschiedlich aus, so dass eine genderspezifische Analyse der Klimafolgen aus Sicht der unterschiedlichen betroffenen Gruppen unverzichtbar ist. Maßnahmen dürfen nicht erneut zu Einschränkungen, Diskriminierung, Marginalisierung, Ungleichheit oder Spaltung der Gesellschaft führen.
Niemanden zurücklassen – Gestaltung von inklusiven und partizipativen (Aushandlungs- und Entscheidungs-) Prozessen
Eine wesentliche Erkenntnis aus den Verhandlungen zur Agenda 2030 ist die Notwendigkeit alle Bevölkerungsgruppen in Transformationsprozesse inklusiv einzubeziehen. Dies trifft besonders für die Kontexte zu, in denen ein Teil der Bevölkerung (häufig zählen dazu auch Frauen, Kinder, Jugendliche) nur ein geringes bis kein Mitspracherecht haben. Für eine friedliche Transformation ist dies jedoch eine Grundvoraussetzung, da die jeweiligen gewählten, repräsentativen oder administrativen Vertreter*innen nicht immer im Interesse aller handeln (können). Aushandlungsprozesse zur Klimaanpassung, -schutz und -kompensation müssen dies berücksichtigen. Zielführend ist ein vertrauensvoller Rahmen, ausreichend Zeit und Flexibilität, um auch Menschen in eher schwer zugänglichen Regionen konflikt- und kultursensibel zu beteiligen. Dabei ist es wichtig, Gemeinschaften nicht als homogene Einheiten wahrzunehmen. Häufig sind jene sozialen Gruppen, die bislang nicht beteiligt wurden, auch die, deren Beteiligungskapazitäten weniger ausgeprägt sind. Somit muss sichergestellt sein, dass alle Gruppen gleichermaßen Kapazitäten und Möglichkeiten haben, sich zu beteiligen. Die Herstellung von Vertrauen in polarisierten, fragmentierten Gesellschaften und fragilen Kontexten ist ein schwieriger Prozess, der mehr Zeit und häufig auch den Einbezug unparteilicher Vermittler benötigt.
Handlungsspielräume zivilgesellschaftlicher Akteure wahren, Machtasymmetrien in den Blick nehmen
Klimainduzierte Ressourcenkonflikte sind gleichzeitig verbunden mit Interessenskonflikten zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen – vielfach zwischen lokal Betroffenen und einer politisch wie wirtschaftlich sehr viel stärkeren Elite. Weitere Konfliktparteien sind oftmals nationale Regierungsstellen und international agierende Akteure, wie transnationale Wirtschaftsunternehmen. Betroffene sowie Umwelt- und Landrechtaktivist*innen, die sich gegen eine aus ihrer Sicht ungerechte Klimapolitik wenden, werden häufig kriminalisiert und erfahren Gewalt. Handlungsspielräume für Friedensakteure schrumpfen. Diesem Trend muss auch in diesem Kontext begegnet werden, denn ohne kritische Stimmen ist nachhaltige Konfliktbearbeitung und Friedensförderung nicht möglich. Diese Stimmen müssen in Multi-Akteurs-Formaten zu Ressourcenkonflikten, nachhaltiger Entwicklung und Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen. Sollten vorhandene Machtasymmetrien dem entgegenstehen, muss diese Beteiligung proaktiv durch entsprechende Mechanismen oder spezifische Formate begleitet und ermöglicht werden.
Rechtliche Grundlagen schaffen, umsetzen, durchsetzen und auf Bestehendes aufbauen
Für eine klimabedingte, gesellschaftliche Transformation müssen rechtliche Grundlagen, legitime Politiken und Rahmenbedingungen geschaffen bzw. angepasst werden. Diese müssen sowohl dem Schutz der Umwelt und des Klimas dienen als auch gleichzeitig die Rechte der lokalen Bevölkerung wahren und gewährleisten sowie Ausgleich für klimainduzierte Verluste schaffen. Dazu zählt auch die Sicherung von Landrechten und der Zugang zu natürlichen Ressourcen. Internationale Konventionen und Menschenrechtsverpflichtungen der Vereinten Nationen geben einen Rahmen vor. Auch auf Freiwilligkeit beruhende menschenrechtsbasierte Leitlinien wie etwa die 2012 vom Welternährungskommittee der VN verabschiedeten „Freiwilligen Leitlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung zur Nutzung von Land, Fischgründen und Wäldern (VGGT)“ sind für den Klimabereich anwendbar. Sie bieten wichtige Anknüpfungspunkte für eine menschenrechtsorientierte Ressourcenpolitik – und weisen auf die jeweils spezifische Verantwortung aller nationalen wie internationalen Akteure hin.
Last but not least: Verantwortung übernehmen und für Prävention von Gewalt einstehen
Gerade die Klimawandel induzierenden Politiken der Industrie- und Schwellenländer sind ausschlaggebend für die Konfliktszenarien der Zukunft. Darüber hinaus tragen Industrie- und Wachstumsgesellschaften mit ihrem Lebensstil und Ressourcenverbrauch massiv zum Klimawandel bei. Staaten sind für die klimaschädlichen aber auch konfliktverschärfenden Folgeschäden ihrer Politiken verantwortlich. Aber auch Wirtschaftsunternehmen und ihre Finanziers (Banken sowie auch Entwicklungsbanken), die lokal und international agieren und investieren, müssen – auch für Folgeschäden – Verantwortung übernehmen oder auf ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen hingewiesen und zur Verantwortung gezogen werden.
Wirtschafts- und Politikansätze werden dahingehend zu überprüfen sein, inwieweit sie einerseits den Klimawandel beeinflussen und andererseits zu Frieden und der Verhinderung weiterer Gewalt und Konflikteskalation beitragen. Auseinandersetzungen und Interessenskonflikte werden zwangsläufig auf uns alle zukommen, es ist jedoch im Interesse der meisten Menschen auf dieser Welt, dass diese friedlich und nachhaltig gelöst werden können. Denn die (Folge-) Kosten von Gewaltkonflikten sind in jedem Fall höher als die Kosten für Prävention. Insofern wäre das Aufhalten des Klimawandels, das Einhalten der Klimaziele auch eine wichtige Grundvoraussetzung für eine gelungene Friedenspolitik.
In der Agenda 2030 und den Leitlinien hat sich die Bundesregierung verpflichtet, die Folgen des Klimawandels für friedliche Gesellschaften in den Blick zu nehmen. Nun ist eine ambitionierte sowie inklusive und universelle Umsetzung wichtig.
Dieser Beitrag gibt ausschließlich die Meinung der Autorinnen wieder. Die Verantwortung für den Inhalt liegt bei den Autorinnen.
Der Beitrag wurde erstmals als Printversion im Friedesforum, Ausgabe 1/2019 „Klimawandel, Krieg und Frieden“ veröffentlicht.