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Rezepte von vorgestern lösen nicht die Aufgaben von heute

Der Munich Security Report 2023 sieht die Entwicklungszusammenarbeit als Teil der Systemkonkurrenz zwischen Autokratien und Demokratien
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Ottilia Anna Maunganidze (Head of Special Projects, Institute for Security Studies) moderiert die Veranstaltung "Recalibrating the compass: North-South Cooperation, Foto: MSC

Vor wenigen Tagen ging die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) zu Ende. Stärker als in vorherigen Jahren waren Perspektiven aus dem Globalen Süden und die Entwicklungspolitik ein sichtbarer Teil des Programms. Was bedeutet diese (neue) Aufmerksamkeit in den sicherheitspolitischen Debatten für die Rolle der Entwicklungspolitik und für den Blick auf die internationale Zusammenarbeit? Der MSC-Bericht gibt dazu Antworten aus der Vergangenheit, die an der politischen Gegenwart vorbeigehen.

Der Munich Security Report 2023 mit dem Titel „Re:vision“ stellt die Systemkonkurrenz zwischen Autokratien und Demokratien in den Fokus – mit China und Russland als antagonistische Akteure um politische Einflusssphären in der Konkurrenz mit westlichen Staaten. Auch der Globale Süden und die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) seien Teil dieser Konfrontation. Demnach zielten beide politischen Lager darauf ab, mit einem strategischen Einsatz der EZ ihre jeweiligen Wirtschafts- und Handelsinteressen durchzusetzen sowie konkurrierende politische Narrative und Entwicklungsmodelle zu vermitteln. Teile dieser Analyse erscheinen dabei als ein historisches Déjà-vu mit Anleihen an die politische Rhetorik aus der Blockkonfrontation des Kalten Krieges. Das gilt offenbar auch für den Blick auf die Staaten des Globalen Südens, die im MSC-Bericht vor allem als Adressaten von Politik und als Empfänger von Hilfsmaßnahmen erscheinen.

Entwicklung, Frieden und Sicherheit werden nicht verknüpft
Abgesehen davon, dass „der Globale Süden“ als Gesamtkategorie für eine sehr heterogene Staatengruppe mit unterschiedlichen Interessen und Abhängigkeiten wenig hilfreich ist, verzichtet der Bericht auch in anderen Bereichen auf eine differenzierte Analyse. Die Kernaussage des MSC-Reports läuft darauf hinaus, dass die Länder des Globalen Südens besonders von Krisen betroffen sind – erwähnt werden Ernährungsunsicherheit, die Klimakrise und die Covid-19 Pandemie – und verlässliche Unterstützung aus dem Westen erhalten müssen. Dass diese Länder, besonders für die Bewältigung globaler Risiken und Herausforderungen und auf regionaler Ebene, relevante Akteure für Frieden und Sicherheit mit eigenen Interessen darstellen, kommt in der MSC-Analyse nicht vor. Auch die Verknüpfung von Entwicklung, Frieden und Sicherheit und die Bearbeitung struktureller Konfliktursachen werden nicht thematisiert.

Politische Botschaften statt Systemveränderungen
Ähnliches gilt für die Defizite des internationalen Systems, das für Akteure aus dem Globalen Süden keine gleichberechtigte Teilhabe an relevanten Entscheidungs- und Steuerungsprozessen bietet. Das konstatiert auch der MSC-Bericht – verbunden mit dem Hinweis, der Status-Quo könne nicht zum Maßstab für die Zukunft werden. Daraus werden aber keine Handelsempfehlungen für westliche Staaten bzw. für eine veränderte Weltordnung abgeleitet – beispielsweise durch Reformen der internationalen Finanz- und Sicherheitsstrukturen. Stattdessen empfiehlt der MSC-Report politische Überzeugungsarbeit („to win the hearts and minds”) und Unterstützungsleistungen für die Länder des Globalen Südens.

Es fehlt die friedenspolitische Dimension der EZ
Politikempfehlungen an die westlichen Staaten werden hingegen nur für die Entwicklungszusammenarbeit formuliert. Eine zentrale Voraussetzung dafür sei eine kritische Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit europäischer Staaten und die Überwindung der Geber-Empfänger-Perspektive. Entwicklungspolitische Ansätze für eine globale Zusammenarbeit auf Augenhöhe müssten sich an den Bedarfen der Partnerländer ausrichten und Bereitstellung globaler öffentlicher Güter in den Mittelpunkt stellen. Unabhängig davon, dass sich die EZ in jedem Fall an diesen Kriterien messen lassen muss, übergeht der MSC-Bericht, dass diese Prinzipien in der internationalen Zusammenarbeit schon fest verankert sind – genauso wie spezifische EZ-Beiträge für Krisenprävention und Friedensförderung bzw. für demokratische Teilhabe und good governance. Stattdessen konzentriert sich die Analyse auf die finanzielle Dimension der EZ – ohne die Beiträge für unterschiedliche Sektoren in den Blick zu nehmen. Durch den Fokus auf Ernährung und Gesundheit werden zudem relevante Leistungen und Potenziale der Entwicklungspolitik für wirtschaftliche, politische und soziale Transformationsprozesse vernachlässigt – auch für die Förderung von Frieden und Sicherheit.

Globale Herausforderungen verlangen neue Perspektiven
Insgesamt vermittelt der MSC-Bericht – ungeachtet einer abweichenden Rhetorik, die das Gegenteil behauptet – ein instrumentelles Verständnis der Entwicklungspolitik in einer post-kolonialen Nord-Süd Tradition, das die Staaten des Globalen Südens in erster Linie als Hilfsempfänger darstellt und nicht als selbstbestimmte politische Akteure. Das ist insbesondere mit Blick auf die Bewältigung globaler Risiken und Herausforderungen für Frieden und Sicherheit, die auch die westlichen Staaten unmittelbar betreffen, problematisch und verkennt das Wirkungspotenzial der EZ für Frieden und Sicherheit.

Kontakt
Dr. Tanja Kasten

Tanja.Kasten@frient.de

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