Mit dem Arabischen Frühling begannen in verschiedenen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas (MENA) politische und gesellschaftliche Transformationsprozesse, die sich zum Teil erheblich voneinander unterscheiden und deren Ausgang noch nicht absehbar ist. Dabei spielten junge Menschen, die politisch und wirtschaftlich marginalisiert sind und von den politisch Verantwortlichen nicht ernst genommen wurden, eine zentrale Rolle.
Die FES MENA-Jugendstudie
Um die Situation von jungen Menschen fünf Jahre nach dem Arabischen Frühling besser zu verstehen, führte die Friedrich-Ebert-Stiftung 2016/2017 in acht Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas eine große repräsentative Umfrage unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch. Die Daten bieten spannende Einblicke in Lebensgefühl, Selbstverständnis und Zukunftsvorstellungen von rund 9.000 jungen Menschen zwischen 16 und 30 Jahren aus Ägypten, Bahrein, Jemen, Jordanien, Libanon, Marokko, Palästina, Syrien und Tunesien.
Die FES MENA-Jugendstudie wurde jetzt unter dem Titel „Zwischen Ungewissheit und Zuversicht“ veröffentlicht. Dort werden die Umfrageergebnisse zu Themenbereichen wie Werte, Religion, Gender, Familie, Wirtschaft, Hunger und Gewalt, Migration, Kommunikation, Politik, Mobilisierung und Engagement sowie ein Vergleich mit der deutschen Shell-Jugendstudie vorgestellt und analysiert.
Politisches und gesellschaftliches Engagement
Vielerorts konnten die im Zusammenhang des Arabischen Frühlings erwünschten gesellschaftlichen Veränderungen gar nicht oder zumindest nicht vollumfänglich realisiert werden. Nach wie vor fordern junge Menschen in der MENA-Region einen gleichberechtigten Zugang zu Politik und gesellschaftlicher Teilhabe. In der Öffentlichkeit wollen sie nicht nur mit ihren Interessen wahrgenommen werden, sondern sind auch bereit, Verantwortung für sich und die Gesellschaft zu übernehmen. Mit diesen Forderungen stoßen sie jedoch immer wieder auf Grenzen und erfahren Widerstand.
Die große Mehrheit der Befragten distanziert sich von der Politik und betont, sie sei nicht an ihr interessiert. Dies bezieht sich häufig auf Parteipolitik, denn gleichzeitig existiert Interesse und Engagement in anderen Bereichen. Trotz der Desillusionierung, die für viele in den letzten Jahren mit den formalen politischen Prozessen einherging, sind junge Männer und Frauen in der MENA-Region noch immer bereit, aktiv zu werden und sich zu engagieren. Allerdings habe sich ihre Aktionsfelder verschoben: Sie treten vor allem für sozio-ökonomische Ziele und nicht mehr für politischen Wandel ein.
Knapp zwei Drittel der Befragten sind bereit, sich für die Belange Anderer sowie für bestimmte Ziele oder Themen einzusetzen. Jedoch tun sie dies kaum im Rahmen formaler zivilgesellschaftlicher Organisationen. Durch den Wandel von Werten und Zielen junger Menschen, aber auch durch den festen Griff, mit dem die autoritären Staaten der Region oftmals Institutionen der Zivilgesellschaft kontrollieren und kooptieren, haben diese im Vergleich zu früheren Generationen ganz offensichtlich an Attraktivität eingebüßt.
Trotz allem zuversichtlich
Während die politische und wirtschaftliche Situation in den Ländern der MENA-Region derzeit wenig Anlass für Optimismus gibt, zeichnen die Ergebnisse der Studie das Bild einer Jugend, die besser gebildet ist als jemals zuvor, die sich ihrer Heimat stark verbunden fühlt, die über eine positive Lebenseinstellung verfügt und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und sich gesellschaftlich zu engagieren.