Im Mai 2017 rief der chinesische Staatspräsident Xi Jinping in einer Rede dazu auf, die Belt and Road Initiative (BRI) von einer Handelsroute in eine „Straße des Friedens“ zu verwandeln. Aber was bedeutet das? Und welche Auswirkungen hat die bereits 2013 ins Leben gerufene BRI auf Konfliktdynamiken in Asien und die betroffenen Regionen in Richtung Europa? Jason Tower, Asien-Repräsentant der Peace Nexus Foundation, stand in einem FriEnt-Hintergrundgespräch für Fragen und Austausch zur Verfügung.
Die BRI erstreckt sich inzwischen auf Asien, Europa, Afrika und Lateinamerika. Dabei wird sie von Seiten Chinas weniger als eigene Strategie sondern viel mehr als Vision und globale Plattform präsentiert, an der sich jeder beteiligen kann. Mittlerweile sind 195 BRI-Vereinbarungen mit Kooperationspartnern als sogenannte „Memorandum of Understanding (MoU)“ geschlossen worden, darunter 135 MoU mit einzelnen Ländern und 30 mit internationalen und/oder multilateralen Organisationen. Zu letzterem zählt etwa eine Vereinbarung mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030. Die BRI verfolgt dabei grundsätzlich 5 Ziele: 1. Politische Koordinationsmechanismen zwischen Regierungen; 2. Infrastruktur, die die notwendigen Verbindungen zwischen den BRI-Ländern herstellen; 3. Freier Warenaustausch durch Freihandelszonen, die alle BRI-Länder miteinander verbinden; 4. Stabile Finanz- und Investitionsstrukturen sowie Währungsstabilität zwischen den BRI-Ländern; 6. ‚Winning Hearts and Minds‘ durch kulturelle, akademische, Medien- und Jugendkontakte. Diese Zielsetzungen machen deutlich, dass die BRI weit mehr ist als eine reine Wirtschafts- und Investitionsroute und politische wie auch sozio-kulturelle Elemente enthält.
In den vorhandenen Analysen, die über unterschiedliche Portale zur Verfügung stehen, fällt hinsichtlich der Anzahl eine große Diskrepanz zwischen chinesisch-sprachigen Artikeln (mehr als 50.000) und englischsprachigen (ca. 5000) auf. Zu Frieden und Konflikt sind darunter nicht viele zu finden. Vor allem die englischsprachigen Artikel scheinen mehrheitlich die nicht-wirtschaftlichen Aspekte der BRI zu ignorieren, obwohl die BRI mit ihren unterschiedlichen Korridoren durch hoch konfliktive Regionen und Länder geführt wird.
Bekannte BRI-Projekte wie etwa in Myanmar und Bangladesch bergen ein hohes Risiko, konfliktverschärfend auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu wirken und erzielte Friedenserfolge zu konterkarieren, z.B. da bewaffnete Rebellengruppen in Myanmar nun versuchen, sich die Kontrolle über bestimmte Gebiete nach erlittenen Territorial- und Landverlusten an BRI-Vorhaben mit Waffengewalt wieder zurück zu erobern. Oder wenn aus Myanmar geflüchtete Rohinya in Bangladesch erneut unter Druck geraten und für BRI-Projekte wiederholt gewaltsam vertrieben werden. Ähnliche Risiken lassen sich für andere Regionen in Asien und in den ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien sowie dem Südkaukasus erkennen. Hier ist vor allem unklar, wie sich die BRI-Aktivitäten mit den unterschiedlichen geostrategischen Interessen der Weltmächte und den von Russland etablierten regionalen Verbünde, wie der Eurasischen Wirtschaftsunion, vertragen. Welche Auswirkungen wird die BRI auf die in der Region ungelösten, teilweise als ‚eingefroren‘ bezeichneten Konflikte haben? Und wie hängt beispielsweise der russisch-chinesische Eisenbahnbau mit BRI-Aktivitäten wie dem Ausbau einer Wirtschafts- und Freihandelszone in der Konfliktregion Abchasien zusammen? Wie wird sich dies auf das angespannte georgisch-russische Verhältnis auswirken?
Solchen Risiken wird bisher nur mit einem Fokus auf Sicherheit, vor allem durch den Einsatz von Militär und Polizei, begegnet. Zunehmend wird aber auch der Einsatz von privaten chinesischen Sicherheitsfirmen entlang der BRI-Korridore im asiatischen Ausland angedacht, die die Routen besser schützen und verteidigen sollen, als es bislang die Sicherheitskräfte der jeweiligen Kooperationsländer getan haben. Von strategischen Überlegungen und/oder gar einem Rahmen für zivile Konfliktbearbeitung und Gewaltverhinderung ist nichts zu erkennen. Die BRI ist „Konflikt blind“, so die Ergebnisse aus den bisherigen Recherchen.