In der aktuellen Migrationsdebatte wird allseits eine schnelle Lösung zur Reduzierung der Zuwanderungszahlen gefordert. Zuletzt hatte auch Bundeskanzler Olaf Scholz mit markigen Worten Abschiebungen „im großen Stil“ in Aussicht gestellt. Dabei helfen sollen insbesondere neue Migrationsabkommen mit Transit- und Herkunftsstaaten. Das im Juli dieses Jahres beschlossene Abkommen zwischen der EU und Tunesien gilt vielen als Modell für die Zukunft. Doch ist es das wirklich?
Statt Vorbild zu sein, treibt das Abkommen zwischen der EU und Tunesien eine Art von Migrationspartnerschaft auf die Spitze, die diesen Namen nicht verdient. In einer gemeinsam von Misereor und Brot für die Welt veröffentlichten Studie zur Migrationspartnerschaft mit Tunesien zeigen die Organisationen, dass das jüngste Abkommen tatsächlich mehr Probleme schafft als löst.
Vergangene Investitionen in den Grenzschutz haben die Zahl der gefährlichen Überfahrten nicht reduzieren können. Stattdessen legitimiert die diplomatische und finanzielle Aufwartung den autoritären Regierungsstil der tunesischen Regierung. Gleichzeitig verschlechtert sie dadurch die Situation der demokratischen Zivilgesellschaft und der Migrant*innen vor Ort. Dass die autoritäre Führung in Tunis kein verlässlicher Partner ist, hat auch die EU selbst feststellen müssen. Nachdem zunächst einer Delegation aus EU-Parlamentariern die Einreise verwehrt wurde, ist auch die erste Tranche an versprochenen Geldern von der tunesischen Regierung zurücküberwiesen worden.
In zwei begleitenden Blogposts argumentiert Lucas Rasche für Misereor deshalb, dass Deutschland und die EU mit derartigen Abkommen die eigene Glaubwürdigkeit und Durchsetzungsfähigkeit rechtlicher Standards zum Flüchtlingsschutz auf internationalem Parkett schwächen. Andreas Grünewald schreibt bei Brot für die Welt ergänzend, dass die Debatte über Migrationsabkommen in Zukunft grundsätzlich neu geführt werden müsse.