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Noch lange kein Frieden in Sicht

Führende deutsche Friedensforscher*innen fordern weitere Unterstützung der Ukraine und Ausweitung multilateraler Rüstungskontrolle
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Zeitenwende
Das Friedensgutachten 2023

Im zweiten Jahr des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist kein Ende der Gewalt in Sicht und die globalen Auswirkungen zeichnen sich immer stärker ab. Die europäischen NATO-Staaten sollten sich auf eine langfristige Unterstützung der Ukraine einstellen. Zu dieser Einschätzung kommen Deutschlands führende Friedens- und Konfliktforschungsinstitute in ihrem diesjährigen Friedensgutachten.

In der Ukraine gibt es noch lange keinen Frieden – vielmehr zeichnet sich ab, dass sich der
völkerrechtswidrige russische Überfall zu einem noch lange andauernden Abnutzungskrieg
entwickeln wird. Ausdrücklich warnen die führenden deutschen Friedensforschungsinstitute davor, die militärische Unterstützung der Ukraine einzustellen und – wie in den vergangenen Monaten von einzelnen gesellschaftlichen Gruppen gefordert – nur auf Verhandlungen zu setzen. Die Konsequenz wäre, dass Russland seinen Expansionsdrang weiterverfolgen und sich die Sicherheitslage in ganz Europa verschlechtern würde, so die Wissenschaftler*innen. Waffenlieferungen und Ausbildungshilfe bleiben notwendig, damit die Ukraine sich selbst verteidigen kann. Zugleich sollten schon jetzt Verhandlungen vorbereitet werden, die mit umfangreichen Sicherheitsgarantien für die Ukraine verbunden sein sollten. Die Bundesregierung könnte dabei eine zentrale Rolle spielen und sich um eine internationale Verhandlungsinitiative bemühen.

Wagner-Gruppe sanktionieren

Eine immer größere Rolle bei Gewaltkonflikten weltweit spielen nichtstaatliche bewaffnete Söldnerarmeen, allen voran die russische Wagner-Gruppe. Da sie sich häufig der direkten Kontrolle ihrer Auftraggeber:innen entzieht, agiert diese Gruppe besonders brutal, unterminiert internationale Friedensmissionen und trägt damit zur Destabilisierung ganzer Regionen wie etwa im Sahel bei. Die Bundesregierung, so die Forderung der Friedensforschungsinstitute, sollte die Wagner-Gruppe als kriminelle Gruppierung einstufen und auf Sanktions- und Fahndungslisten setzen.

Afrika bleibt Krisenhotspot

2022 blieb das weltweite Konfliktgeschehen auf einem unverändert hohen Niveau. Die Hälfte der bewaffneten Konflikte fand in Afrika statt. In jedem zweiten innerstaatlichen Konflikt waren dort transnational operierende dschihadistische Gruppen, wie z. B. der sogenannte Islamische Staat (IS), involviert.

Nachhaltiger Frieden in einer Welt multipler Krisen

Zunehmende Armut, die Auswirkungen des Klimawandels und gesellschaftliche Polarisierung sind weitere Risiken für das friedliche Zusammenleben in Deutschland, Europa und weltweit. In Zeiten dieser multiplen Krisen und komplexen Herausforderungen wäre eine rein verteidigungspolitisch verstandene Zeitenwende, die vor allem auf den Ausbau militärischer Kapazitäten setzt, nicht ausreichend. Zum einen sind entwicklungspolitische Strategien zu entwickeln, um die Resilienz besonders gefährdeter Gesellschaften im Globalen Süden zu stärken und die Ernährungssicherheit der Bevölkerung zu garantieren. Zum anderen brauchen auch westliche Demokratien Strategien, um gesellschaftlicher Polarisierung entgegenzuwirken und sich gegen Desinformationskampagnen und antidemokratische Ideologien zu schützen.

Politische Proteste nicht kriminalisieren

Politische Proteste sollten als Ausdruck demokratischer Vitalität verstanden und nicht kriminalisiert werden, solange sie nicht für extremistische Botschaften genutzt werden und gewaltfrei sind. Eine Verschärfung des Strafrechts, präventive Ingewahrsamnahmen und Diffamierungen seien keine angemessene Antwort auf zivilen Ungehorsam wie etwa bei den Aktionen der Klimaaktivist*innen, argumentieren die Wissenschaftler*innen.

Handelsbeziehungen unterstützen den Frieden

Wirtschaftliche Verflechtung kann zwar keinen Frieden garantieren – aber zumindest fördern,
wenn bestimmte wirtschaftspolitische Abhängigkeiten, etwa im Energiesektor, vermieden werden. Die Wissenschaftler:innen warnen deshalb davor, Handelsbeziehungen und wirtschaftliche Verflechtungen, z. B. zwischen westlichen Staaten und China, vorschnell und einseitig zurückzubauen. Verhandlungen, Dialog und Handel sollten weiterhin als Mittel der Friedenssicherung dienen. Russland in bedeutenden internationalen Organisationen zu isolieren, wäre trotz des eklatanten Völkerrechtsbruchs gegenüber der Ukraine strategisch nicht zielführend. Gerade in der aktuellen Situation werden internationale Austauschforen wie die UN oder die OSZE dringend benötigt, um in den Dialog über Deeskalationsmöglichkeiten zu treten und Kritik vortragen zu können.

Multilaterale Rüstungskontrolle stärken

Angesichts der angespannten weltpolitischen Lage sollte alles getan werden, um einen
Rüstungswettlauf und die weitere Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern
und Eskalationsrisiken zu verringern. Unter anderem gilt es, insbesondere in Krisensituationen
eine funktionierende Kommunikation und die Sicherheit von Kommando- und Kontrollstrukturen zu gewährleisten. Staaten, die bislang nicht im Zentrum der Rüstungskontrollpolitik standen, wie Brasilien, Indien oder China, sollten stärker als bislang eingebunden werden.

Werteorientierung in der Außen- und Entwicklungspolitik

Das Friedensgutachten 2023 fordert die konsequentere Umsetzung einer werteorientierten
feministischen Außen- und Entwicklungspolitik. Sie muss sich entschiedener als bislang
positionieren und Dilemmata offen erörtern.

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