Mit dem Ziel die seit Jahren eingefahrenen Konflikte in der Region Südkaukasus entschärfen zu können, ist im Juli 2017 ein Runder Tisch zusammen gekommen. Mitglieder von FriEnt arbeiteten gemeinsam an der Konzeption neuer Ansätze entwicklungspolitischer Friedensarbeit. Besonders im Fokus stand die “Global Study on 1325”, die die Entwicklung gendersensitiver Indikatoren zur Prävention wie auch zur Frühwarnung vor erneuter Gewalt fördert.
Gegenüber den ‚großen Krisen‘, wie etwa Syrien und Ukraine, gerät der Südkaukasus immer wieder in den Hintergrund und hat auf der internationalen Agenda sowie in der Aufmerksamkeit des internationalen Friedensengagements keine Priorität. Dabei sind die Spannungen um den als ‚eingefrorenen Konflikt‘ bezeichneten Streit um Nagorny-Karabach zwischen Armenien und Aserbaidschan seit der Eskalation an den Grenz-und Kontaktlinien im vergangenen Jahr so hoch wie seit dem Krieg 1994 nicht mehr. Ein besonderes Augenmerk sollte hier auf Prävention von Gewalt und Verhinderung erneuter militärischer Eskalationen liegen. Aber die eingerichteten internationalen Verhandlungsformate zur Konfliktbearbeitung, wie die Minsk-Gruppe zum Karabach Konflikt und auch die Genfer Gespräche zum Georgien-Abchasien- bzw. Südossetien-Konflikt, stehen vor wiederkehrenden Herausforderungen. Es können bisher keine oder nur sehr geringe Erfolge in der Lösung dieser Konflikte verzeichnet werden.
Vor diesem Hintergrund trafen sich die Mitglieder des FriEnt-Rundtisch Südkaukasus am 04. Juli 2017 erneut, um sich über Ansätze der entwicklungspolitischen Friedensarbeit und Erfahrungen zur Frauen- Frieden- Sicherheitsagenda auszutauschen. Die Teilnehmenden stellten Arbeitsschwerpunkte der eigenen Organisationen und Netzwerke dar und diskutierten Perspektiven der entwicklungs- und friedenspolitischen Zusammenarbeit in der Region. Die vorgestellten zivilgesellschaftlichen Ansätze reichten dabei von Trainingsangeboten und Ausbildungsmodulen im Bereich der Konfliktbearbeitung für lokale MultiplikatorInnen und einer grenzüberschreitenden Dialog- und Vergangenheitsarbeit, über die finanzielle Unterstützung, Beratung und Ausbildung für lokale zivilgesellschaftliche Partner bis hin zu Stipendienprogrammen für junge Menschen aus der Region.
In der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit werden die regionalen Initiativen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in verschiedenen Sektoren umgesetzt und damit unter anderem die Unterstützung grenzüberschreitender Kooperationen im Naturschutz- und Energiesektor, die Förderung von lokalen Verwaltungsstrukturen und Dezentralisierung fortgesetzt. Aus Mitteln des Auswärtigen Amts werden unter anderem weiterhin über das ZIVIK-Programm zivilgesellschaftliche Initiativen vor Ort und über das ZIF die Vorbereitung und Vermittlung von Fachpersonal in die Beobachtermission der Europäischen Union (EUMM) in Georgien unterstützt. Im anschließenden Austausch wurde deutlich, das Ansätze und Zugänge sehr unterschiedliche Handlungsoptionen mit sich bringen und Synergien möglicherweise stärker in den Blick zu nehmen wären. Dabei tauchte auch die Frage nach Effektivität breit angelegter Entwicklungsprogramme, Fokussierung auf Sektoren, Konfliktsensibilität und Wirksamkeit der Arbeit im Sinne von Friedensförderung und Konflikttransformation auf.
Im weiteren Gespräch teilte Frau Julia Kharashvili, Vorsitzende der georgischen Frauenorganisation „IDP-Women Association ‚Consent‘“ aus Tiflis und Mitglied in der „UN-High Level Advisory Group“, die die Erarbeitung der „Global Study on 1325“ beraten und begleitet hat, ihre Arbeitserfahrungen unter anderem mit der Umsetzung der Resolution 1325 und der Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplanes 1325 in Georgien. Frau Kharashvili hob dabei heraus, dass durch die Resolution 1325 und deren Umsetzung wesentliche Bereiche der Friedensarbeit zu Prävention und Überwindung von Gewalt, Schutz ziviler Bevölkerung, zur Förderung friedensfähiger Gesellschaften und sozioökonomischer Entwicklung abgedeckt werden: So trage die Entwicklung gendersensitiver Indikatoren zur Prävention wie auch zur Frühwarnung vor erneuter Gewalt bei. Auch zum Thema ‚Schutz‘ und zu ‚Partizipation‘ biete die Resolution 1325 viel Verbesserung für Frauen und Mädchen.
Im Bereich Wiederaufbau und der sozioökonomischen Reintegration in Nachkriegskontexten sei den Bedarfen der Frauen besonders Rechnung zu tragen. In Bezug auf erkennbare Lücken in der Umsetzung wies sie darauf hin, dass weiblichen Friedensstifterinnen noch nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet würde und ihr Schutz über die Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger/innen formal noch nicht ausreichend gewährleistet sei. Dieser internationale Schutz müsse ausgebaut und speziell für ‚Women peacebuilders‘ weiterentwickelt werden.
Im georgischen Kontext sei weiterhin zu vermerken, dass Frauen an den hochrangigen Verhandlungsformaten keinen Platz haben. Auch für die Beobachtung der Vorfälle und Entwicklungen an den Kontaktlinien Georgiens zu den Konfliktregionen Südossetien und Abchasien sei die Beteiligung von Frauen nicht ausreichend gewährleistet. Besonders problematisch sei hier zudem, dass von abchasischer wie auch südossetischer Seite keine zivilgesellschaftliche Beobachtung und Teilhabe möglich sei.
Ferner fehle es in der Umsetzung der Resolution 1325 in Georgien noch an Instrumenten und Mitteln zur Traumaarbeit, Vergangenheitsarbeit und Versöhnung. Der Bedarf daran zeige sich erst jetzt, mehr als 20 Jahre nach dem Bürgerkrieg, denn die Mehrzahl der betroffenen Frauen könne nun erst anfangen, über die Vergangenheit zu sprechen und das Erlebte aufzuarbeiten. Hier wäre ein wichtiger Ansatzpunkt, der gemeinsam mit lokalen Friedensstifterinnen auf- und auszubauen wäre.
Für die Weiterarbeit im Rahmen des FriEnt-Rundtisches wurden verschiedene Themen benannt:
- regionale Entwicklungsansätze: ihr Beitrag zu Prävention, Konflikttransformation und Frieden, ihre Wirkung auf die lokalen Konfliktkontexte;
- wirtschaftliche Entwicklung und Friedenspotentiale: Grundannahmen und Wechselwirkungen;
- Migration als Motor für Entwicklung und Frieden und die Rolle der Diaspora;
- Vergangenheitsarbeit und Friedensförderung.