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Von Gelegenheiten zu Konflikten

Der Bedeutung der Corona-Pandemie für Indien
Misereor
COVID-19
Bäume in Indien. Santhoshsivan | Unsplash.

Es ist sicher eine Binsenweisheit, dass in COVID-19 allerhand Stoff für Unfrieden auch auf internationalem Niveau steckt. Anselm Meyer-Antz beschreibt anhand von Indien die Mechanismen von Gelegenheiten über Diskriminierung bis zu Konflikten.

Die Gelegenheit

Im indischen Kaschmir macht ein ironischer Witz die Runde: Willkommen im „Lock-down“, im Ausgehverbot! Nachdem der nördlichste indische Bundesstaat bereits seit einiger Zeit unter einem Ausgehverbot leidet, betrifft eine grundsätzliche Präventivquarantäne nun das ganze 1,3-Milliardenvolk. Um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern, hat der indische Ministerpräsident nun für alle Inder*innen die eine oder andere Form des Hausarrests angeordnet. Die Presse und die Sozialen Medien beobachten die Schwierigkeiten des Zu-Hause-Bleibens für Straßenbewohner*innen ohne Zu-Hause und Wanderarbeiter*innen auf dem Weg zu einem fernen Zu-Hause.

Derweil geschieht im Bundesstaat Odisha – kaum bemerkt – Folgendes: Angestellte der Forstbehörde tauchen mit einem hohen Personalaufgebot in einem Dorf Indigener in einem abgelegenen Wald auf. Hier lebt diese Gruppe seit Menschengedenken ihre alte Kultur in engem Einklang mit der Natur, abgesichert von der indischen Verfassung. Sie stehen unter dem besonderen Schutz des Forest-Rights-Act, einem Schutzgesetz auch für Indigene. Die Beamten zerstören Häuser und vertreiben die Bewohner*innen. Ein herbeigerufener Anwalt wird nicht entsprechend dem besonderen Schutz für Organe der Rechtspflege behandelt, sondern schikaniert und dem unmittelbaren Zwang der Vollzugsbehörden ausgesetzt. Unter den Wäldern des sogenannten „Stammesgürtels“ Indiens, wo die Minderheit der indischen Indigenen (Adivasi) hauptsächlich siedelt, lagern reichhaltige Bodenschätze. Zur Rechtfertigung der Aktion wird unter anderem den Vorwurf des „maoistischen“ Terrorismus ins Gespräch gebracht.

Solche „exekutive“ Nutzung der Coronakrise findet in vielen Ländern des globalen Südens statt. Nur ein weiteres Beispiel: In Sri Lanka dürfen derzeit Muslime ihre Verstorbenen nicht in der Erde bestatten. Dies sei in Coronazeiten nicht angezeigt.

Die Diskriminierung

Es ist unbestritten, dass die Behörden die Reduzierung physischer Kontakte von Menschen durchsetzen müssen. Sie vollstrecken diese Maßnahmen zurzeit weltweit mit deutlich vermindertem Zugang zum rechtlichen Widerspruchsweg, wo es ihn gibt. Dort, wo der Rechtsweg gar nicht existiert, steigt die staatlich eingesetzte Gewalt deutlich an. Die Ausübung exekutiver Gewalt wird billiger, lohnender und gefahrloser für Beamt*innen und damit sehr viel verlockender für Politiker*innen. Egal, ob sie sich nun früher oder später kritischen Wähler*innen stellen müssen oder nicht. Warum also nicht Gewalt einsetzen, um – en passant – das eine oder andere langjährige Problem „…einfach mit zu lösen…“, auch wenn es wenig bis gar nichts mit COVID-19 zu tun hat?

Der Widerstand

Zurück nach Indien: Muslime sind die größte „Minderheit“ im demnächst bevölkerungsreichsten Land der Welt. Ihnen wiesen Stimmen vor allem in den Sozialen Medien auch über Fake News die Schuld für die Ausbreitung der COVID19-Infektion zu. Plötzlich solidarisierten sich weit über Pakistan hinaus arabische Staaten mit den in Indien betroffenen Glaubensbrüdern und -schwestern. Einige Beobachter stuften diese Art der Internationalisierung als etwas sehr Neues ein.

Schon jetzt sind deshalb alle Initiativen zu stärken, die versuchen, die „checks and balances“ (wo sie denn existieren) in Zeiten von COVID-19 soweit wie möglich zu erhalten und zu garantieren. Es ist sicher eine Binsenweisheit, dass in COVID-19 allerhand Stoff für Unfrieden auch auf internationalem Niveau steckt. Selbst der indische Ministerpräsident Modi sah sich genötigt, sich in der beschriebenen Situation vermittelnd zu äußern.

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