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COVID-19
Europäische Union (EU)
Markus Spiske | Unsplash

Die EU-Mitgliedstaaten reagieren auf die Pandemie mit Grenzschließungen im Schengen-Raum und riegeln die Außengrenzen ab. Sie sind wenig bereit, gemeinsam humanitäre Katastrophen zu bewältigen. Derweil verstärken sie mit Blick auf Afrika Militärkooperationen im Mittelmeer. Stattdessen wären Initiativen zum Schutz von Flüchtlingen und eine alternative Sicherheitspolitik gefragt.

Die Covid-19-Pandemie hat der Tendenz zur Abschottung, welche die Politik der EU-Mitgliedstaaten schon seit Jahren prägt, zusätzliche Wucht verliehen. FRONTEX-Einheiten riegelten die Außengrenzen nahezu hermetisch ab. Die griechische Regierung setzte das Asylrecht faktisch außer Kraft und hebelte die Genfer Flüchtlingskonvention aus. Das erfordert dringend, die Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln zu evakuieren, wozu Hilfsorganisationen aufgerufen haben. Selbst die Initiative in einer „Koalition der Willigen“, einige wenige minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in den EU-Ländern aufzunehmen, kam nur sehr schleppend in Gang. Dass im Zuge einer Pandemie die europäische Migrationspolitik reformiert und die bekannten Differenzen aufgelöst würden, war kaum zu erwarten. Dennoch darf die EU nicht mehr als 40.000 Migrant*innen auf den griechischen Inseln sich selbst überlassen, schutzlos und ohne medizinische Infrastruktur.

Während die EU und ihrer Mitgliedstaaten kaum bereit sind, humanitäre Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen, treiben sie den Ausbau militärischer Kapazitäten zur Sicherung der Außengrenzen und für Einsätze auf dem afrikanischen Kontinent in erstaunlicher Einmütigkeit voran.

EU-Mission „IRINI“: Militärpräsenz und Migrationsabwehr im Mittelmeer

So wurde am 1. April 2020 eine neue EU-Militärmission „IRINI“ im Mittelmeer beschlossen, welche die bisherige Operation „Sophia“ ablösen soll. Sie wird mit ähnlichen Mandaten ausgestattet wie die Vorgängermission. Vorrangig soll sie das Waffen- und Öl-Embargo überwachen, das die Vereinten Nationen gegen Libyen verhängt haben, Menschenschmuggel unterbinden und gegen Schlepper vorgehen. Im Rahmen von IRINI werden demnächst Schiffe im Mittelmeer auf neuen Routen kreuzen, damit sie nicht in die Verlegenheit kommen, in Seenot geratene Flüchtlinge retten zu müssen. Gleichzeitig werden im Rahmen der neuen Mission auch weiterhin EU-Staaten die libysche Küstenwache „ertüchtigen“ (ausstatten und trainieren). Sie bringt die Menschen auf afrikanisches Gebiet zurück und verübte in den vergangenen Jahren eklatante Menschenrechtsverletzungen an Geflüchteten. Der Name für die EU-Mission – abgeleitet vom griechischen Wort für „Frieden“ – erweist sich also in mehrfacher Hinsicht als Euphemismus.

Ausbau von Interventionskapazitäten mit Blick auf die Sahelregion

Im Schatten der globalen Gesundheitskrise treibt die EU auch Militärkooperationen voran, die sich auf Interventionen jenseits der EU-Grenzen richten. Elf Mitgliedstaaten beschlossen im März die militärische Spezialeinheit „Takuba“ aufzustellen, um extremistische Milizen in Mali zu bekämpfen. Zu den Unterzeichnern gehören Deutschland, Belgien, Dänemark, Estland, Frankreich, Norwegen, die Niederlande, Portugal, Tschechien, Großbritannien und Schweden. Deutschland unterstütze vorerst vor allem politisch, so heißt es. Die Bundeswehr ist in Mali bislang im Rahmen von UN- und EU-Missionen im Einsatz. „Takuba“ soll aus mehreren Hundert Personen bestehen und ab Sommer 2020 unter französischer Leitung in der Region Liptako agieren. Diese Truppe soll auch die französische Mission „Barkhane“ und die von der EU mitfinanzierte G 5-Sahel Joint Force unterstützen. Mit Takuba wird nun also eine weitere Interventionstruppe aufgestellt, obwohl die Einsätze vielfältiger multinationaler Streitkräfte neben den Truppen der Sahelstaaten in den letzten zehn Jahren kaum Erfolge erzielten. Die Bevölkerung der betroffenen Länder akzeptiert die internationale Einmischung auch deshalb immer weniger.

„Weder sind die gewalttätigen Extremisten verschwunden, noch hat sich die Sicherheitslage in den betroffenen Ländern verbessert. Die Zahl der Todesopfer in diesen Konflikten und der Menschen, die flüchten oder gewaltsam vertrieben werden, ist dagegen kontinuierlich gestiegen,“ so Hans-Joachim Preuss, der die Lage in der Region für die Friedrich-Ebert-Stiftung analysiert. In der Sahel-Region besteht die Herausforderung also nicht nur darin, in vielfältigen humanitären Krisen entgegenzuwirken, die sich aktuell mit der Corona-Pandemie zusätzlich verschärfen Es braucht auch eine Nachbarschafts- und Entwicklungspolitik, die sich von der Migrationsagenda löst und wirtschaftliche Perspektiven eröffnet. Darüber hinaus muss Sicherheitspolitik neu definiert werden und sich nicht in erster Linie auf militärische Potenziale stützen. Sie sollte vor allem die Afrikanische Union (AU) und deren Stärken im Bereich der Diplomatie und Mediation konsequent einbeziehen.

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